Kieferorthopädie für Erwachsene
Zahnspangen kennen keine Altersbegrenzung
Für die Kieferorthopädie spielt das Alter des Patienten eine nicht zu unterschätzende Rolle. Kinder und Jugendliche sind die Hauptzielgruppe der Kieferorthopädie. » Fehlstellungen der Zähne lassen sich bekanntermaßen umso besser korrigieren, je früher sie entdeckt und behandelt werden. Bis zu einem Alter von 18 Jahren befindet sich der Kiefer noch im Wachstum, das von der Kieferorthopädie somit zielgerichtet gesteuert werden kann. Ein suboptimal schließender Kiefer führt auf lange Sicht zu vielen Begleitsymptomen. Ein Beispiel dafür sind chronische Kopfschmerzen, wie sie sich aus einer dauerhaften Fehlbelastung des Kauapparats entwickeln können. In besonders extremen Fällen kann die Fehlbelastung sogar chronische Atemprobleme oder Tinituserscheinungen hervorrufen.
Die frühe Behandlung beim Kieferorthopäden ist so schon deshalb erforderlich, um solche symptomatischen Folgen zu vermeiden. Obwohl sie nicht zur Hauptzielgruppe kieferorthopädischer Maßnahmen gehören, befinden sich neben Jugendlichen und Kindern allerdings auch Erwachsene immer häufiger in kieferorthopädischer Behandlung.
Die Gründe sind verschiedene:
• Einige haben in ihrer Kindheit beispielsweise keine korrigierende Behandlung erhalten.
• Wieder andere waren in Behandlung, die gemessen an der heutigen Entwicklung aber nur mangelhafte Erfolge erzielen konnte.
Der richtige Biss und die Folgen eines Fehlbisses
Überbiss, Unterbiss, Kreuzbiss, Fehlbiss: Wer zum Kieferorthopäden primär deshalb geht, weil ihn die schiefen Zähne oder Zahnlücken stören, kann sich oft erst einmal einen längerne Vortrag darüber anhören, dass es nicht nur um die Ästhetik geht, sondern im jeweiligen Fall auch ein echter Fehlbiss vorliegt, der alle möglichen Folgen und Begleitsymptome haben kann - von Kopfschmerzen über Nackenverspannungen u.v.a.m. / Das Ziel bleibt in jedem Fall, einen perfekten Biss durch die kieferorthopädische Behandlung zu erreichen - auch noch bei Erwachsenen (© nilapictures/Fotolia)
Immer mehr 30-40jährige beim Kieferorthopäden
Heute ist es Standard, das Gebiss eines Kindes auf den korrekten Verschluss und die einzelnen Zähne auf die richtige Stellung untersuchen zu lassen. Früher war das nicht der Fall, denn vor Jahrzehnten wusste man noch nicht ausreichend über die Folgen von Kieferfehlstellungen. Auch dieses Faktum hat dazu beigetragen, dass es gegenwärtig so viele Erwachsene gibt, die unter den Spätfolgen von Zahnfehlstellungen leiden.
Neben den gesundheitlichen Folgen birgt die Fehlstellung des Kiefers für sie oft psychische Belastungen, da auch die » Ästhetik bei einer versäumten oder unzureichend durchgeführten Korrektur beeinträchtigt ist. Unter den Erwachsenen wenden sich insbesondere Menschen in in einem Alter zwischen 30 und 40 Jahren immer öfter an einen Kieferchirurgen bzw. Kieferorthopäden. Spätestens Filmstar Tom Cruise hat dazu ermutigt, als er auf der Premiere von "Minority Report" vor einigen Jahren mit einer Zahnspange erschien. Und mit Verfahren wie Invisalign und Incognito muss die Korrektur der Zahnfehlstellung auch nicht so sehr auffallen, wie manch Erwachsener vorab befürchtet.
Eine defintive Altersbeschränkung für Kieferkorrekturen gibt es generell nicht. Allerdings erfordern sinnvolle und erfolgsversprechende Korrekturen per Kieferorthopädie zumindest gesunde Zähne und genügend Knochenstruktur. Solange beides in ausreichendem Maß gegeben ist, können sich aber sogar 60- oder 70-Jährige noch eine » professionelle Zahnkorrektur angedeihen lassen.
Auf den Behandlungskosten hängen bleiben?
Anders als Kinder und Jugendliche müssen erwachsene Patienten die vollen Behandlungskosten allerdings meist aus eigener Tasche aufbringen. Die gesetzlichen Krankenkassen beteiligen sich für Erwachsene gegenwärtig (Stand 2015) nicht an kieferorthopädischen Behandlungsmaßnahmen, solange keine schwerwiegende Gesundheitsbeeinträchtigung infolge eines Fehlbisses vorliegt. Private Krankenversicherungen beteiligen sich unter Umständen durchaus an dem Behandlungsbetrag. Auch das gilt aber nur dann, wenn der Gutachter der Krankenversicherung den kieferorthopädischen Behandlungsplan abgesegnet hat und die Behandlung als gesundheitliche Erfordernis beurteilt. Einige Zahnzusatzversicherungen bezuschussen die Behandlungskosten zumindest. Im Allgemeinen bewegen sich die Gesamtkosten der Kieferkorrektur zwischen 1500 und 15000 Euro. Und während man bei einer mehr oder weniger "Einmalbehandlung" wie Zahnersatz sehr wohl zur Kostensenkung auf » Angebote aus dem Ausland zurückgreifen kann, ist das bei einer mehrjährigen KFO-Behandlung schwierig.
Fehlbiss und Engstand
Bei diesem erwachsenen Patienten war vor der kieferorthopädischen Behandlung eine kieferchirurgische Operation angeraten (GNE, "Gaumennahterweiterung"), um den zu schmalen Oberkiefer zu weiten und den Engstand der Zähne zu beheben. Die operative Weitung des Kiefers brachte im Nachgang mehr Platz für die zu eng stehenden Zähne und ermöglichte eine schöne Ausformung der Zahnreihe (zahnbehandlung-ratgeber.de)
Indikationen zu einer Erwachsenen-Kieferorthopädie
Erwachsene begeben sich besonders oft in kieferorthopädische Behandlung, wenn eine prothetische Versorgung mit » Brücken oder » Kronen droht. Im Idealfall lässt sich diese Versorgung durch die Kieferorthopädie noch anwenden. Dasselbe gilt auch für drohende » Implantatversorgungen (siehe auch: » Zahnprothesen versus Implantat sowie » BOI / Disk Implantate).
Ebenso oft sind Beschwerden des Kiefergelenks erwachsenen Patienten ein Grund, den Kieferorthopäden aufzusuchen. Diese Gelenkbeschwerden resultieren aus den Fehlbelastungen des Kiefers, die auch für die weiter oben genannten Belastungskopfschmerzen oder Tinitus- und Atembeschwerden verantwortlich sind.
Unter Umständen stellt sich im Alter außerdem eine Zahnwanderung ein. Auch solcherlei Einzelzahnwanderungen bewegen Patienten häufig zur Kontaktaufnahme mit einem Kieferorthopäden. Wenn die Zahnwanderung eben erst stattgefunden hat, dann stehen die Chancen für eine unkomplizierte Korrektur besonders gut. Zahlreiche weitere Zahnveränderungen können sich im Alter einstellen, so beispielsweise ein Engstand in der UK-Front oder eine verstärkte Lückenbildung in der OK-Front, die in der Regel eine feste Spange erfordern. So haben wir selbst schon Patienten im Alter von 60+ mit Incognito-Brackets (mehr oder weniger "unsichtbare", von innen an die Zähne geklebte Zahnspange) gesehen.
Gegen Beschwerden im Kiefergelenk kann dagegen eine Schienentherapie zum Einsatz kommen. Da der Kieferknochen ab einem Alter von 18 Jahren vollständig ausgewachsen ist, können Fehlstellungen, die den Kiefer an sich betreffen, im Erwachsenenalter teils aber nicht durch eine einfache Kieferorthopädie ausgeglichen werden, sondern erfordern eine Kombinationstherapie. Bei Vor- oder Rückbissen findet mit am häufigsten eine solche kieferorthopädisch-kieferchirurgische Kombinationsbehandlung statt, die chronische Fehlstellungen und dauerhafte Kaufehlbelastungen ausgleichen soll. Diese Kombinationstherapie kombiniert zur kieferorthopädischen und zahnkorrigierenden Spange oder Schiene einen operativen Eingriff der Kieferkorrektur.
Am häufigsten entscheiden sich Patienten für eine Kombinationstherapie, die an einem starken oder bereits länger bestehenden Kinnvorstand oder Kinnrückstand leiden. Die unterschiedlichen Ebenen des Gesichts werden im Rahmen des korrigierenden Operationseingriffs miteinander harmonisiert und optimieren so nicht nur das Gebiss, sondern das gesamte Gesichtsprofil. Damit kann eine Kombinationstherapie insbesondere ästhetischen Zwecken dienen.
Erwachsenen-Zahnspange
Oben dezenter, am Unterkiefer klassisch: Oft entscheiden sich erwachsene Patienten dazu, zumindest am Oberkiefer gegen Aufpreis eine weniger auffällige Bracketvariante zu nehmen; entweder als Kunststoffbrackets, Keramikbrackets oder gar Incognito-Brackets, die innen auf die Zähne geklebt werden und dadurch fast gar nicht zu sehen sind. (© StudioLaMagica/Fotolia)
Längere Retentionsphasen für erwachsene Patienten
Eine der wichtigsten Besonderheiten von kieferorthopädischen Behandlungen am erwachsenen Menschen ist der Bedarf an einer intensiveren Retention. Die Retentionsphase (Stabilisierung des erreichten Ergebnisses) schließt sich je an eine Kieferkorrektur an. Die umgestellten Zähne werden in dieser Zeit durch sogenannte Retainer fixiert, damit sie sich nicht mehr in ihre Ausgangslage zurück verschieben.
Bei Kindern und Jugendlichen ist eine deutlich kürzere Retentionsphase notwendig als für den Erwachsenen. Die Retentionsphase eines erwachsenen Patienten zieht sich oft über deutlich mehr als ein Jahr oder sogar das restliche Leben.
An einen Zahn werden ein Leben lang ständig Knochen an- und abgebaut, was seine Bewegungsfähigkeit gewährleistet und die Kieferorthopädie bis ins späte Erwachsenenalter überhaupt erst möglich macht. Der Knochenanbau und Abbau ist zugleich aber auch der Grund, aus dem eine Retentionsphase bestimmter Dauer notwendig ist.
Die natürliche Zahnbewegung umfasst druck- und zugseitige Bewegungen. Auf der Druckseite bewegt sich ein Zahn, weil sich der Kieferknochen biologisch bedingt genau dort auflöst, wo er permanent Druckbelastungen tragen muss. Auf der druckabgewandten Zahnseite findet eine Dehnung der Haltefasern statt, wobei die Zugwirkung Knochneubildungen in dem dort lokalisierten Gewebe auslöst. Neben dieser Bewegung verengt sich mit kontinuierlicher Krafteinwirkung auf einen Zahn außerdem sein natürlicher Zahnfachspalt. Das lässt eine Druckzone entstehen, die auf lange Sicht den Kieferknochen verändert, um dem Zahn eine Ausweichbewegung zu erlauben. Auf der anderen Seite der Druckzone entsteht mit dem Ausweichen ein erweiterter Spalt, den der Kiefer wieder mit ausgleichender Knochenmasse befüllt.
Da der Knochenaufbau meist mehr Zeit in Anspruch nimmt als die Prozesse des Knochenabbaus, kann es bis zum Aufbau neuer Knochenmasse zu einer vorübergehenden Lockerung der Zähne kommen. Eine kieferorthopädische Behandlung macht sich die beschrieben Bewegungsfähigkeit der Zähne zunutze. Auch die erzielten Erfolge einer solchen Behandlung sind gegen Ende aber mit einer Lockerung der korrigierten Zähne verbunden. Stabil sind die Erfolge der Korrektur somit erst dann, wenn ausgleichende Knochenmasse aufgebaut wurde.
Bei erwachsenen Patienten dauert der Aufbau neuer Knochenmasse wiederum länger, als bei jugendlichen Patienten, die sich ohnehin noch im Wachstum befinden und über flexiblere, anatomische Strukturen verfügen. Die stabilisierende Retentionsphase nach einer kieferorthopädischen Korrektur ist für Erwachsene daher länger anzusetzen, um bleibende Erfolge zu erzielen. Auch die Behandlungsdauer an sich zieht sich länger hin und nimmt für Erwachsene insgesamt in der Regel einen Zeitraum von sechs Monaten bis drei Jahren in Anspruch. Im Einzelfall kann ein operativer Eingriff zur Kieferkorrektur wegen der verminderten Flexibilität des Erwachsenenkiefers bessere Erfolgsaussichten versprechen, als die kieferorthopädischen Maßnahmen.
Dezenter, aber nicht unsichtbar
Mit Kunststoffbrackets und Keramikbrackets trägt die feste Zahnspange "nicht ganz so dick auf", was mindestens den etwas zahlungskräftigeren Erwachsenen in den meisten Fällen wichtig ist. Unsichtbar sind diese Brackets aber ganz und gar nicht, was vor allen Dingen an den Drähten / Bögen liegt (© unpict/Fotolia)
Diskretion als Grundanforderung bei Erwachsenen
Für Kinder und sehr junge Jugendliche ist die feste Zahnspange im besten Falle ein modisches Accessoire, das gerne besonders auffällig und farbenfroh gestaltet werden darf. Das sehen erwachsene Patienten in der Regel anders. Sie legen im Normalfall viel Wert auf Diskretion und wollen nicht mit einer extrem auffälligen Zahnspange ins Auge fallen. Speziell im Arbeitsalltag müssen viele von ihnen oft vor Menschen sprechen und fühlen sich in dieser und ähnlichen Situationen unwohl, wenn sie eine Spange tragen, die schlimmstenfalls auch noch ihre Artikulationsfähigkeit beeinträchtigt. Die Kieferorthopädie hat sich an die Bedürfnisse erwachsener Patienten angepasst und mehrere Lösungen entwickelt, die einem Patienten die erwünschte Flexibilität und Diskretion sowie ein fortan makelloses Lächeln geben können.
- Keramik- und Kunststoffbrackets: Oft erhalten Erwachsene in der Kieferorthopädie als Brackets für feste Zahnspangen keine metallenen Befestigungsknöpfe. Aus Diskretionsgründen entscheiden sie sich häufig für keramische Brackets oder solche aus Kunststoff. Beide Arten können transparent ausfallen und damit für Diskretion sorgen. Völlig unsichtbar sind diese Spangen allerdings nicht.
- Incognito-Spange: Alternativ zu Brackets aus Kunststoff oder Kermaik steht einem erwachsenen Patienten der Kieferorthopädie oft eine Lingualbehandlung zur Verfügung (Incognito-Brackets). Bei dieser Behandlungsform werden die Brackets nicht an der Außenseite, sondern auf der Innenseite der Zähne angebracht. Diese Spange ist auch als Incognito-Zahnspange bekannt, denn weder die Halterungen, noch der Draht sind für andere so noch sichtbar. Allerdings empfinden einige Patienten diese Lösung speziell beim Essen als unangenehm oder können sich vorübergehend nicht mehr fehlerlos artikulieren. Für Patienten mit kurzen Zähnen ist die Innenspange von vorneherein nicht geeignet, da bei kurzen Zähnen auf der Innenseite nicht genügend Fläche zum Aufkleben der Brackets gegeben ist.
- Invisalign-Schiene: Eine alternative und ebenso unsichtbare Lösung zur Incognito-Kieferorthopädie ist für Erwachsene in kieferorthopädischer Behandlung eventuell die Invisalign-Schiene. Sie besteht aus elastischen Spezialkunststoffschienen, die für andere aus rund 50 Zentimetern Entfernung gänzlich unsichtbar sind und alle paar Wochen ausgetauscht werden. Sie lassen sich zum Essen oder beispielsweise für öffentliche Reden entfernen und passen sich so diskret an den Arbeitsalltag des Erwachsenen an. Allerdings: größere Zahnfehlstellungen lassen sich damit meist nicht beheben, was viele erwachsene Interessenten in der KFO-Praxis erst einmal enttäuscht. Oft haben diese schon etwas im Netz recherchiert, wie man bei Erwachsenen schiefe Zähne nachträglich noch korrigieren lassen kann, und stoßen dann auf die Variante, entweder » Veneeers als Verblendung aufkleben zu lassen oder eben auf eine Invisalign-Behandlung. Aber beides kann größere Fehlbisse nicht korrigieren, so dass die Patienten in vielen Fällen schon eine Bracket-Behandlung schlucken müssen.
Lingualbrackets, Incognito, Brackets von innen
Bei der so genannten "Lingualtechnik" wird die Zahnspange an der Innenseite der Zähne befestigt und fällt damit weniger bis kaum auf. Nachteile gibt es hier aber auch: die Zunge stört sich mehr daran als bei einer Außenbefestigung, es gibt (zumindest anfangs) moderate Spracheinschränkungen - und letztlich wird sich die Krankenversicherung an einer solchen Lingual-Technik-Behandlung (auch unter dem Namen Incognito bekannt) nicht beteiligen, sondern nur die 'normale' Bracketform bezahlen, so dass der Patient einen ordentlichen Aufpreis selbst tragen muss (© Igor Mojzes / Fotolia)
Premium-Verfahren haben ihren Preis...
Speziell die Keramik-Brackets, aber auch die anderen oben genannten Sonderspangen wie Incognitos kosten den Patienten in der Regel mehr als eine konventionelle Spange. Die diskreten Zahnkorrekturen lassen sich daher als Premium-Verfahren bezeichnen, das nicht jeder Patient ohne Weiteres aus eigener Tasche bezahlen kann. Sogar wenn die eigene Privatversicherung oder Zahnzusatzversicherung einen Zuschuss zu Kiefer- und Zahnkorrekturen vorsieht (vgl. auch » diesen Artikel), gilt die Bezuschussung in der Regel nicht für Sonderbehandlungsformen. Der Zuschuss fällt im Normalfall höchstens so hoch aus, wie die standardisierte Therapiemöglichkeit. Das Mehr an Kosten aufgrund von Sonderverfahren oder Sondermaterialien muss der Patient also meist auch dann selber tragen, wenn seine Versicherung theoretisch Zuschüsse verteilt (03.06.2015).
Video: Erwachsenen-Kieferorthopädie (lingual)
Youtube: Kieferorthopädie Erwachsene - Korrekturen mit Lingualtechnik - Kurzzeitkorrektur in 6 Monaten
(www.youtube.com/watch?v=7s69D3I-7PM)